27.01.2024
Bester Vortrag beim Idaflieg-Wintertreffen 2024
Vitalparameter im Segelflug und aktive Stresssenkung
Das Sondermessprojekt „Vitalparameter im Segelflug und aktive Stresssenkung“ von Joscha Löwe, Akaflieg München, ist begründet auf der im Streckenflug gesammelten Erfahrungen, dass ein hoher Stresspegel die Leistung und die Entscheidungsfindung negativ beeinflusst. Infolge dessen wurde das Ziel verfolgt, die Stressbelastung messtechnisch zu erfassen und die Wirksamkeit von stresssenkenden Maßnahmen zu prüfen.
Anders als die in den Ingenieurswissenschaften erfassten physikalischen Größen (z.B. Länge, Kraft, Beschleunigung) ist der Stresspegel nicht direkt messbar. Stress beeinflusst allerdings verschiedene physiologische Parameter. Die Auswirkungen von Stress sind allgemein bekannt: unser Herzschlag beschleunigt sich, die Pupillen werden erweitert, wir schwitzen stärker. Ein gut erforschtes Verfahren besteht mit in der Auswertung der Variabilität der Zeitintervalle zwischen den Herzschlägen. Je höher der Stresspegel ist, desto regelmäßiger schlägt das Herz, die Herzratenvariabilität (HRV) lässt also Rückschlüsse auf den Stresspegel zu – Die Methode ermöglicht somit auch eine Untersuchung stresssenkender Maßnahmen.
Um den Stresspegel zu senken werden in der Literatur verschiedene Verfahren diskutiert. Dabei ist Resonant Frequency Breathing eine der vielversprechenden Methoden. Der Proband arbeitet hierbei jeweils ca. 6 Sekunden lang ein, 6 Sekunden lang aus. Da Herzfrequenz, Blutdruck und Atmung ebenfalls mit einer Latenz von 5-6 Sekunden miteinander Wechselwirken entsteht ein Resonanzeffekt, welcher zu einer Stimulation des parasympathischen (=entspannenden) Nervensystems führt.
Auf dem Idaflieg Sommertreffen 2023 wurde die Wirksamkeit dieser Technik im Flug experimentell geprüft: 11 Probanden wurden in Kontroll- und Testgruppe eingeteilt und flogen ein einheitliches Testprogramm auf einem einheitlichen Flugzeug, der DG-1000 der Akaflieg München. Das Testprogramm enthielt zwei Manöver zum Erzeugen einer Belastung sowie eine Entspannungsphase, in der die Testgruppe eine Atemübung durchführte. Das Programm wurde jeweils mehrmals geflogen, sodass insgesamt 30 Datensätze generiert wurden. Die Vitaldaten (EKG-Signal u.a.) wurden mit einer Messanlage der deutschen Akademie für Flug- und Reisemedizin aufgezeichnet.
Für die Analyse der Daten wurde der Anstieg des Stresspegels zwischen Entspannungs- und Manöverphase ausgewertet. Die HRV-Parameter LF/HF und SD2/SD1 zeigen erkennbare Unterschiede mit einem Signifikanzniveau von 94% (LF/HF) respektive 89% (SD2/SD1). In Anbetracht der kleinen Stichprobe und anderen Studien aus der Literatur legt dieses Ergebnis einen Zusammenhang nahe. Die Durchführung von Atemübungen scheint die Aktivierung des Parasympathischen Nervensystems zu fördern und Anzeichen körperlicher Erschöpfung zu reduzieren.
Am Ende bleibt es jedem Piloten selbst überlassen, ob sie/er Atemübungen im Flug einsetzen möchte. Die Daten legen nahe, dass es einen nützlichen Effekt geben könnte. Das Risiko eines Einsatzes von Atemübungen ist überschaubar. Wer also seinen Stresspegel senken möchte kann den Einsatz von Atemübungen einfach mal ausprobieren.